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"Flügel-Anhänger wollen die Macht übernehmen" 

Conrad Siebert aus Oybin ist nach dem Kreisparteitag der AfD am vergangenen Sonntag in Niesky aus der rechtspopulistischen Partei ausgetreten. In der SZ sagt er, warum.

Von Thomas Mielke
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Conrad Siebert.
Conrad Siebert. © Archivfoto: Matthias Weber

Es war ein Paukenschlag, als Conrad Siebert 2015 den CDU-Gemeindeverband "Zittauer Gebirge" verließ - und kurze Zeit später bei der AfD wieder auftauchte. Immerhin war der Oybiner Gemeinderat der Chef des Verbandes. Doch die Unzufriedenheit mit dem Agieren der CDU-Chefetage beim "Freihandelsabkommen TTIP, die Eurorettungspakete und die damit verbundene Lüge, es werde keine Schuldenunion geben, nationaler Identitätsverlust, der von der SPD erpresste Mindestlohn und die Grenzkriminalität - für mich gibt es viele Gründe für den Austritt", sagt der Hotelbetreiber damals. Das Fass zum Überlaufen habe für ihn letztlich das  "alles beherrschende Thema Asyl" gebracht. Für den Wechsel zur AfD hat er viel Kritik und viele Anfeindungen einstecken müssen. Und das war auch einer der Gründe, warum er die Oybiner Bürgermeisterwahl verloren hat. Nun hat sich Siebert auch von der AfD losgesagt. Warum, erklärt er im SZ-Interview: 

Herr Siebert, machen Sie Parteien-Hopping?

Nein, definitiv nicht. Ich habe bereits im Oybiner Gemeindrat gesagt, dass ich nun auf unbestimmte Zeit parteilos bleiben werde.

Haben Sie jetzt die Nase endgültig von Parteien voll?

Ja, das ist tatsächlich so. Aber es war eine interessante Erfahrung, wenn man hinter die Kulissen gucken konnte.

Lassen Sie uns bitte mitgucken.

Ein Beispiel: Was da am vorvergangenen Sonntag bei der Nominierung der AfD-Landtagskandidaten für den Landkreis Görlitz in Niesky passiert ist, wäre sehr wahrscheinlich nicht einmal den Altparteien passiert. Da läuft das Postengeschacher nicht so plump und offensichtlich. Das wird charmanter und im Vorfeld hinter verschlossenen Türen geregelt.

Haben Sie jetzt tatsächlich den AfD-Terminus "Altparteien" benutzt?

Ja, wie sollte man die schon länger vorhandenen Parteien sonst bezeichnen?

Was war so plump und offensichtlich?

Plötzlich sollten alle vier Wahlkreise - auch die im Süden - mit Mitgliedern aus dem Norden, die darüber hinaus dem Kreisvorsitzenden Chrupalla nahe stehen, besetzt werden. Eine aussichtsreiche, durchaus für viele Menschen wählbare Kandidatin aus dem Süden hat man sogar noch am Sonnabendabend telefonisch aufgefordert, nicht anzutreten. Vor diesem Hintergrund, so vermute ich, war es auch kein Zufall, dass der Kreisparteitag im Norden stattgefunden hat. Es war zu erwarten, dass mehr Mitglieder aus dem Norden nach Niesky kommen und damit die Kandidaten aus dem Norden bei den Nominierungswahlgängen bessere Chancen haben.

Sie selber wollten aber nicht als Landtagskandidat aufgestellt werden?

Nein, diesen Gedanken habe ich bereits Anfang des Jahres aus anderen persönlichen Gründen verworfen.

Sie sind einen Tag nach dieser Veranstaltung aus der AfD ausgetreten. War sie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat?

Ja. Ich habe noch eine Nacht drüber geschlafen, um keine von Emotionen geleitete Entscheidung zu treffen. Dann stand sie fest. 

Wenn die Veranstaltung der Tropfen war, was war dann der Inhalt des Fasses?

Die Zusammensetzung des Regional- und Kreisverbandes, also die handelnden Personen. Meinem Demokratieverständnis nach gehört zur Politik, dass man Kompromisse eingeht. Diese Bereitschaft fehlt aber einigen AfD-Mitgliedern. Ich bin nicht ausgetreten, weil mir das Programm der AfD missfällt, sondern weil ich nicht mit dem einen oder anderen von diesen Parteimitgliedern, die jetzt nach der Macht greifen, an einem Tisch sitzen oder in einem Atemzug genannt werden will.

Haben Sie das Gefühl, dass diese AfD-Mitglieder teilweise undemokratisch eingestellt sind?

Nicht teilweise, vereinzelt.

Beobachter des Kreisparteitages sagten hinterher, sie hätten den Eindruck, dass es  die Radikalen innerhalb der AfD sind, die die Macht übernehmen wollen. Teilen Sie den Eindruck?

Radikal sind Menschen wie die, die beim G20-Gipfel in Hamburg randaliert haben. Aber wenn Sie meinen, dass die Anhänger des "Flügels" - ein Bündnis der AfD-Mitglieder am rechten Rand der Partei, Anm. der Red. - die Macht übernehmen wollen, dann teile ich diesen Eindruck. 

Gab es weitere Austritte nach dem Parteitag?

Von einem Mitglied weiß ich es genau. Andere haben sich über die Veranstaltung echauffiert und laut über einen Austritt nachgedacht. Aber ob sie den Weg wirklich gegangen sind oder gehen werden, weiß ich nicht.

Mit dem Blick zurück: Haben Sie es bereut, aus der CDU ausgetreten zu sein?

Nein. 

Könnten Sie sich vorstellen, wieder in die CDU einzutreten?

Nein, das jetzige Parteiprogramm passt nicht mit meinen Einstellungen zusammen. Zum Beispiel geht mir - und ich glaube, auch vielen anderen - das mit der Globalisierung zu schnell. Der Mensch hängt an seiner Heimat und will sich nicht von oben überstülpen lassen, dass immer größere Einheiten gut für ihn sind. Das fängt schon bei den in der Vergangenheit verordneten Gemeindezusammenschlüssen an.

Mit Ihrem Übertritt zur AfD ist Ihr Alltag nicht leichter geworden. Hoffen Sie, dass es nun wieder besser wird?

Es war so, als hätte ich plötzlich einen AfD-Stempel auf der Stirn. Einige wollten nicht mal mehr mit mir reden. Dabei bin ich doch mit dem AfD-Parteibuch kein anderer geworden. Demokratie verstehe ich anders. Ich würde mir wünschen, dass man mich jetzt wieder mehr als das wahrnimmt was ich bin, ein durchaus konservativer und heimatverbundener Mensch, der sich auch zum Wohle der Gemeinde engagiert. Ich jedenfalls werde weitermachen wie bisher, mich um meine Familie, meinen Betrieb und meine Gemeinde kümmern. Und deshalb werde ich zur Kommunalwahl im Mai auch wieder als Kandidat für den Gemeinderat antreten. Nur eben ohne Parteibuch und auf keiner Parteiliste.

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